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Atmung im Karate

Kokyuu - Atmung
Kokyuu – Atmung

Atmung und Karate sind fest verwoben

Der wirkungsvolle Einsatz einer Karatetechnik hängt maßgeblich von der richtigen Atmung und dem passenden Atemrhythmus ab. Im Karate wird tief in den Bauch, durch Senken des Zwerchfells eingeatmet. Das Zwerchfell ist eine willkürlich beeinflussbare Muskel- und Sehnenplatte. Sie trennt Brust- und Bauchhöhle. Spannt man sie gemeinsam mit der Bauchmuskulatur an, führt das zu einer Stabilisierung des vorderseitigen Rumpfes. Diese Stabilisierung schafft, gemeinsam mit anderen Muskelgruppen, die Möglichkeit Ober- und Unterkörper zu einer wirkungsvollen Einheit zu verbinden.

Es gibt in den Karate Stilrichtungen unterschiedliche Ansätze die Atmung einzusetzen:

  • Angriffstechnik ausatmen
  • Angriffsfolgen ein- ausatmen im Wechsel
  • Angriffsfolgen ausatmen verkettet
  • Abwehrtechnik einatmen
  • Abwehrtechnik ausatmen
  • atme ganz natürlich 😉

Atmet man ständig falsch, z.B. während der Ausführung einer Kata, wird man außer Atmen geraten und die Techniken werden schwach.

Kraft aus der Tiefe

Durch die tiefe Bauchatmung, die eng mit dem Hara verbunden ist, erhält man kraftvolle Energie die in die Technik umgeleitet werden kann. Es ist dabei nicht das Ziel, im Zuge der Atmung einen „ausgewölbten“ Bauch zu formen, vielmehr drückt die gleichzeitig angespannte Bauchmuskulatur den entstehenden inneren Druck wieder nach oben. Über den festen Rumpf kann man z.B. Angriffstechniken gegen den eingenommenen Stand drücken, so, daß die eingesetzte Kraft in hohem Maße auf das Ziel wirken kann und sich in ihrer Wirkung nicht im Rumpf verliert. Optimale Anspannung vorausgesetzt, leitet man z.B. den Druckpunkt einer Fausttechnik über eine so stabilisierte Haltung aller beteiligten Gelenke / Skelettknochen bis zur Ferse um – die Kraft kann also nur in eine Richtung, nämlich in der des getroffenen Punktes entweichen – zumindest funktioniert das so weit, bis irgendein Element in der Wirkungskette nachgibt. Der Boden auf dem wir stehen wird wohl nicht nachgeben 😉

Ein Schrei auf dem Gipfel der Technik

Wird eine Technik besonders betont, soll sie eine maximale Energie erhalten, wird beim Ausatmen ein Schrei, der Kiai, ausgestoßen. Technik, Haltung und Atmung sind dann in Harmonie. Dabei gilt es aber zu beachten, daß diese Harmonie auch leise zu erreichen ist und eine kontrollierte Atmung genügt, um diesen Zustand zu nutzen. Kontrolliert bedeutet dabei mehr, als nur den Luftstrom zu steuern. Vielmehr geht es darum, die an der Atmung beteiligten Muskelgruppen (und andere) so zu nutzen, daß eine möglichst stabile Haltung erreicht wird.

Wie schon zuvor beschrieben, ist es dazu nötig, die beteiligten Muskelgruppen willkürlich korrekt einzusetzen. Grundlegende Erkenntnisse und Erfahrungen sind hierbei durch Yoga zu erlangen, z.B. durch die Übungen der Asna / Hata Yoga. Um bei diesen Übungen einen hohen Grad der Ausführung zu ermöglichen, muss man bewusst und unter Einsatz der Atmung, die blockierende Muskulatur steuern. So erspürt man sonst nur unwillkürlich genutzte Muskulatur und lernt diese gezielt einzusetzen.

Variation 1: Luft am Ausströmen hindern

Auf dem Scheitelpunkt der Technik hindert man kurzzeitig die Luft am Ausströmen, das führt unweigerlich zu einem höheren Druck in der Bauchhöhle und einer Anspannung der dagegen wirkenden Muskulatur. Die Phase der Anspannung kann sehr kurz sein, um im Anschluss an eine Technik direkt wieder zurückzuweichen oder eine weitere Technik zu ermöglichen, oder lang und intensiv um eine finale, tief eindringende Technik auszuführen.

Es gibt Kampfkünste in denen diese Form der körperlichen Spannung als schädlich angesehen wird. Die Energie trifft gemäß Definition dabei den Ausführenden und nicht den Getroffenen. Ausprobieren 🙂 Außerdem soll der erhöhte innere Druck schlecht für das Herz sein. Es ist auch nicht unüblich, daß der Schrei selbst erst nach der vollen Anspannung ausgestoßen wird. Nachdem ich lange daran gearbeitet habe, diesen inneren Druck zu erreichen und auf den Punkt zu bringen, versuche ich nun, mir das wieder ab zu gewöhnen – mir geht so schnell die Puste aus und in der Kata wird man zunehmend verspannt.

Variation 2: Luft nicht am Ausströmen hindern

Die Luft der Lungen wird nahezu vollkommen ausgestoßen – auch so spannt sich die Bauchdecke voll an. Man muss nun die Spannung nicht zuerst lösen, sondern atmet einfach ein. Gut für den Rhythmus, gut für eine ungehinderte Atmung. Der innere Druck steigt nicht, auch längere Einheiten mit vollem Kime sind möglich.

Ein lauter Kiai erfüllt auch die Aufgabe der Einschüchterung des Gegners und der „Selbstmotivation“ durch das Aufbauen innerer psychischer Spannung.

Hara – Schwerpunkt und Mitte zugleich

Anatomisch betrachtet ist das Hara der Schwerpunkt des Menschen. Es befindet sich zwei Finger breit unterhalb des Bauchnabels, zwischen Bauchdecke und Wirbelsäule. In der asiatischen Kultur gilt das Hara auch als Energiezentrum und Wesensmitte.

Im Karate soll die Bewegung, die Technik aus dem Hara kommen, dort ihren Anfang finden. Das Gleichgewicht soll bei jeder Technik gewahrt werden und die Energie, der Vorschub aus dem Hara zur Technik umgeleitet werden. Setzt man nun die Muskulatur bewusst ein, lässt sich das Gewichtsverhältnis zwischen oberer und unterer Körperhälfte variieren.

Bei bewusst lockerer Muskulatur, senkt sich das Gewicht auf die Hüfte, das macht unbeweglich und den Stand schwammig, bei voller Anspannung hingegen wird man zu starr. Mit der Atmung und der bewusst steuerbaren Muskulatur versucht man nun in allen Phasen ein für Bewegung und Technik optimales Gleichgewicht zwischen Spannung und Entspannung zu finden. Volle Ausatmung spannt den Bereich um das Hara – volles Einatmen auch. Ein leichter, sanfter und ruhiger Atmen bei sanfter Grundspannung im Unterbauch lässt Bewegungen in alle Richtungen zu, ohne Stabilität einzubüßen.

Variation der Atmung

Der Atem kann, wie Karate und seine Techniken, verschiedene Erscheinungsformen haben, hart, weich, komprimiert / angespannt oder langsam entweichend / entspannt, schnell / langsam. Zwischen Haltung, Technik, Bewusstsein und Atmung existiert eine direkte Abhängigkeit. Stand und Haltung beeinflussen den Bewegungsspielraum der Muskulatur, das für die Lungen verfügbare Volumen und damit auch die Funktion der Atmung.

„Du bist dort wo Dein Atmen ist“. Vergegenwärtigt man sich seine aktuelle Situation und Position durch Konzentration auf die eigene Atmung, wird die eigene Person zum Mittelpunkt der Perspektive. Wer sich auf seinen Atem konzentriert, konzentriert sich auf das Hier und Jetzt. Wer bewusst mit seinem Atem spielt, konzentriert sich auf seine Körpermitte.

Hart und weich, Spannung und Entspannung, langsam und schnell, alles in Verbindung mit der richtigen Atmung.

Gichin Funakoshi

Bewusstes Atmen

  • Bei An- und Abgrüßen
  • in der Kata, im Kihon
    • die passende Atmung zur Technik finden
    • wie reagiert man bei Kombinationen (Sanbon Zuki)
    • wie lang, kurz, laut ist der Kiai in welcher Kata
    • die Atmung und den Atemrhythmus die / der durch die Kata vorgegeben wird
  • im Kumite
    • Kontrolle durch Ruhe und bewusste Atemkontrolle
    • Einatmen – Ausatmen, was macht langsam, was schnell
    • wie wird bei Angriff und Abwehr geatmet

Deine persönliche Atemaufgabe

Wer seine Atmung kontrolliert kontrolliert sein Karate, kontrolliert sein Leben. Erst unlängst habe ich wieder meine Atemaufgabe kennen gelernt: Nach dem Kime auch wieder loslassen können – atmen, atmen, atmen ….. und, wie ist Deine Atmung so?

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