seiken

Perfektion – die Waffe des Karateka

Genauigkeit in der Bewegung, hohe Schnelligkeit, absolute Fokussierung – Perfektion in diesen Elementen führt zu einer präzisen, schlagfertigen Waffe. Bei der Fokussierung ist neben dem Zielpunkt, den es gilt zu treffen, auch die Schlagfläche von Hand oder Fuß relevant. Ähnlich einem Projektil, welches höhere Durchschlagskraft entwickelt, wenn die Kraft nur auf eine kleine Fläche einwirkt, lassen sich Karate Techniken auf ihre Wirkung optimieren, wenn die Schlagfläche möglichst klein und hart ist.

Wirkung durch Schärfe
Die Wirkung einer Technik kann auch erheblich sein, wenn sie „unscharf“ ist. Als Beispiel sei hier das Boxen mit Boxhandschuhen angeführt, ein weiter Schwinger auf der Außenbahn gegen den Kopf hat nicht selten ein K. O. zur Folge, dabei ist die Schlagfläche eher groß und nicht „hart“. Aber der Weg ist lang, die Technik ist eher langsam und bietet viel Zeit und Raum für Ausweichbewegungen.

Eine „scharfe“, schnelle Technik mit einer möglichst kleinen Schlagfläche erzielt hingegen eine tiefere, punktuelle Wirkung und lässt kaum Zeit und Raum für Reaktionen.

Training und Schulung
Die Übung von Fausttechniken an Sandsack oder Makiwara schult zum einen die Genauigkeit der Bewegung – steht die Faust in schlechtem Winkel, ist der Arm zu wenig oder zu viel gestreckt, wird die Wirkung negativ beeinflusst und dies lässt sich durch den Widerstand des Trainingsgerätes direkt am eigenen Körper spüren. Zum anderen lässt sich, besonders am wenig gepolsterten Makiwara, die Schlagfläche sehr gut ermitteln, trainieren und konditionieren. Die Abhärtung z. B. der Knöchel an der Faust am Makiwara schult Präzision und Fokussierung, so kann aus einer bereits definierten Schlagfläche (im Bild Seiken):

seiken 
mit der Zeit, durch regelmäßiges Üben mit ausreichender Härte, eine „schärfere“ Waffe herausgebildet werden. Das regelmäßige und zweckmäßige Training führt auch zu einer höheren Belastungsfähigkeit der Schlagfläche und man setzt sich während des Trainings mit der Fokussierung auf Schlagfläche und Zielregion auseinander – „funktioniert das auch, wenn ich im Bogen schlage?“, „kann ich damit wirksam treffen, wenn ich von unten schlage?“:
 
seiken knöchel 
 
Knöchel oder Handfläche?
 

Womit man treffen will hängt auch maßgeblich davon ab, was man treffen will. Gegen Kinn von vorne, Nase von unten („uppercut“), untere Rippe von vorne ist eine „scharfe“ Technik mit den Knöcheln der Faust, wie oben abgebildet sehr effektiv. Bei einem Schlag hingegen von unten unter das Kinn rutsch man leicht ab, wenn man zu sehr auf die Knöchel setzt, auch gegen Leber oder Magen ist die etwas unscharfe Form des Seiken, oder sogar die ganze Fläche der vorderen Faust vorzuziehen.

Gegen das Schlüsselbein passt ein Uraken von oben:

uraken
 
Gegen die Niere kann man z. B. Tettsui einsetzen, wenn man vor dem Gegner steht (oder Shuto, also die Handkante der offenen Hand):
 
testtsui

 

 
Gegen die Schläfe, die Augenbraue das Nasenbein, das Jochbein, die Nasenwurzel, die Stirn, die Handoberseite, das Schlüsselbein, den Hals, sowie Sehen, Bändern und Muskeln lässt sich z. B. Nakadakaken einsetzen:
nakadakaken
 
Aber: Je kleiner die Schlagfläche und je schwächer der eigene, treffende Körperteil, um so höher ist auch die punktuelle Belastung am eigenen, treffenden Körperteil. Ungenauigkeit und Untrainiertheit haben dann meist Verletzungen zur Folge. Führt man z. B. Nakadakaken im falschen Winkel / ungenauer Richtung (Wirkung geht seitlich auf den Finger), gegen die falsche Zielregion aus (z. B. Ellbogen oder Fußballen – die sind zu „stark“ für diese Technik) oder in einem unpassenden Kontext aus (gegen eine Fußtechnik), wird man sich möglicherweise selbst an Finger und Hand verletzen.
 
Spätestens bei dieser Schlagfläche, Nakadakaken, wird klar, daß eine scharfe Waffe erst herausgebildet werden muss, sie muss mit den geeigneten Mitteln, dem geeigneten Training geschliffen werden und sie wird wieder stumpf, wenn das Training längere Zeit ausgesetzt wird. Im Alltag, also durch greifen, fassen, halten oder andere „handwerkliche“ Tätigkeiten wird der Mittelfinger an dieser Stelle, in dieser Form eher selten eingesetzt. Das heißt Körper und Koordination müssen erst dahingehend geschult werden. Auch das Training muss behutsam und in kleinen Schritten erfolgen!
 
Perfektion, Fokus, Kime
 
Im Sinne eines perfekten, eines perfektionierten Karate und dem Ziel eines absoluten Kime ist es notwendig, sich der Fokussierung und der Schlagfläche im Training zu widmen, denn die Schlagfläche ist der Berührungspunkt zwischen mir und dem Gegner (Gegner*in), der Übertragungspunkt der Kraft. Die Konzentration auf einen möglichst kleinen Punkt ist das Ziel – physisch und psychisch.  
 
Achtung – Problemzone
 
Angriffe auf empfindliche Körperstellen mit punktuell wirkenden Techniken können schwerwiegende Verletzungen nach sich ziehen, oder sogar tödliche Folgen haben. Es gibt meines Erachtens also nur wenige Szenarien, die das Üben solcher Techniken rechtfertigen:
 
  • Training im Sinne eines „weichen“ Karate Do – nach dem Motto „perfektionieren, aber nicht einsetzen“
  • andeutungsweise Ausführung für ein Verständnis der Bewegung
  • existenzgefährdende Selbstverteidigungssituation

 
 

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