Karate lebt vom gegenseitigen Respekt
Das kommt nicht zuletzt im geregelten Umgang miteinander zum Ausdruck. Ein Teil dieser Umgangsformen ist der Gruß vor und nach dem Training. Aber auch innerhalb einer Trainingssequenz mit einem Partner erweist man sich gegenseitigen Respekt. Der Gruß zueinander, die Verbeugung dient der Kontaktaufnahme und Einstellung auf den Trainingspartner.
Dabei ist das allseits herausgeworfene Oss (Osu) eigentlich kein besonderer Gruß – mit Ausnahmen – mehr dazu gibt es im Artikel Oss im Karate.
Richtig Grüßen will gelernt sein
Karateka verbeugen sich voreinander, zu verschiedenen Gelegenheiten; vor und nach dem Training, vor und nach einer Partnerübung, vor und nach der Ausführung einer Kata. Füße Geschlossen, Hände seitlich an die Oberschenkel und dann den Oberkörper neigen und wieder aufrichten – das nennt sich Ritsu-Rei. Wie man das machen kann sieht man ganz gut in diesem kleinen Kendo Video. Auch dem Ort des Weges, dem Ort der Zusammenkunft, also dem Dojo zollt man beim Betreten und Verlassen mit einer Verbeugung Respekt.
Beim An- und Abgrüßen vor und nach dem Training wird sogar eine kleine Zeremonie absolviert, häufig inklusive einer kurzen Meditationsphase. Bei dieser Respektsbekundung stehen sich der (oder die) Meister und die Schüler gegenüber, verbeugen sich im Stehen, gehen dann in den Kniesitz, bilden mit den Händen vor den Knien ein Dreieck und verbeugen sich tief. Anschließend richtet man sich wieder auf. Seiza und verbeugen
Die Schüler stellen sich dazu in einer oder mehreren, sauberen Reihen, sortiert nach Graduierung und Stellung im Dojo. So steht der / die „Neue“, auch Kohai, mit Weißgurt (aus Sicht der Schüler) immer ganz links und der am längsten im Dojo „suchende Schüler“ Sempai / Senpai, mit dem höchsten Grad ganz rechts.
Je nach Budo Disziplin, Verband, Stilrichtung, Dojo ist der Ablauf im Detail in vielen Varianten zu finden und mit dem Begriff „Za-Rei“ benannt. Dem Schüler rechts außen kommt manchmal eine besondere Aufgabe zu. Er sagt in der Zeremonie den nächsten „Schritt“ an. Häufig tut dies auch der Meister selbst. Seiza und Rei
„Seiza!“ – hinknien
„Mokusō!“ – schließen der Augen, „Mokusō yame!“ – öffnen der Augen, zwischen diesen beiden Phasen wird meditiert, bewusst geatmet, oder was im Dojo üblich ist.
Dann werden verschiedene Grußformeln gesprochen, die mit einer Verbeugung im Kniesitz beantwortet werden, oder eine Positionsänderung des Meisters zur Folge haben. Nachfolgend eine kleine Liste mit Grußformeln.
Shomen-ni-rei | Gruß zum Dojo (Shomen – Frontseite des Dojos) |
Sensei-ni-rei | Gruß zum Lehrer (Sensei – Lehrmeister, Lehrer, ab 3. DAN) |
Shihan-ni-rei | Gruß zum Meister (Shihan – Begriff für einen hohen Meister, ab 5./6. DAN) |
Sempai-ni-rei | Gruß zum Senior, (der Ältere, der erfahrene Schüler, 1./2. DAN) |
O-tagai-ni-rei | Gruß zueinander / Gegenüber (Übende, Kämpfer, Zuschauer, Kyu-Rang als Trainer) |
Joseki-ni-rei | Gruß zum Ehrenplatz (z.B. Funakoshi) |
Zum Abschluss steht man wieder auf und verbeugt sich noch einmal zum Meister. Manche Karateka verbinden jede Verbeugung (zu einer anderen Person) mit einem Oss (Osu), manche nicht.
Auch die Haltung der Hände während der Meditation ist verschieden, z. B. auf den Oberschenkeln abgelegt, oder wie im Zazen vor dem Körper geformt:
Die Augen sind mal ganz geschlossen, oder, ebenfalls wie im Zazen, nur zum Teil, mit dem Blick auf die Rückseite des Augenlides und dem „offenen Teil“ des Blick ein bis zwei Meter vor einem auf den Boden gerichtet. Auch bei der Verbeugung im Kniesitz gibt es unterschiedliche Auslegungen – mal geht der Blick mit nach unten zum Boden, mal soll er nur so tief gesenkt werden, daß die gegenüber sitzende Person noch zu sehen ist. Hier lehnt man sich dem Iaido oder Kendo an, nachdem der „Gegner“ nicht aus dem Auge verloren gehen soll.
Aber ist Dein Sensei Dein Gegner?
Warum diese traditionellen Floskeln
Die Vielfältigkeit der Erklärungen ist so weit wie ein Ozean. Aber letztlich geht es um gegenseitigen Respekt, Vertrauen und Achtsamkeit. Durch die gegenseitige Verbeugung werden wir gleiche unter gleichen. Jeder hat die Aufgabe sich selbst und den anderen zu fordern, nicht über Gebühr und ohne den „Partner“ zu verletzen, aber doch im stetigen Bemühen sich und den jeweils anderen zu fordern, damit wir beide uns entwickeln können.
Das Verbeugen beim Eintreten in das Dojo ist die erste formelle Anerkennung, daß jetzt die besonderen Regeln gelten, denen sich alle mit dem Ziel unterwerfen, auf dem Weg gemeinsam ein Stück weiter zu kommen.